An die eigene Nase fassen – wirhabendiewahl.net

An die eigene Nase fassen

Image via: The Circle Of Life (by Steve Cutts – great artwork – thank you SO much)


Na, auch “Schwein gehabt”?

Gestern Mittag, gestern Abend, heute auf dem Frühstücksbrötchen?

Wir sind keine Veganer,  und dies ist kein Artikel über gesunde Ernährung – aber über gesundes Denken und Verhalten.

Ich habe heute einen Beitrag gelesen, in dem jemand über die Arbeiter in der Fleischindustrie herzieht. Ok, jetzt denken wir alle nochmal genauer nach.

Diese Zustände sind seit langem bekannt, niemand hat sich bisher dafür interessiert. Und genau darum geht es im Wesentlichen auch: daß sich niemand mehr für irgendwen anders interessiert.

Bleiben wir mal bei bei den Saisonarbeiter/innen. Ich habe bis jetzt noch keine verlässlichen Zahlen gefunden, wieviele Menschen genau für welchen Zeitraum Jahr für Jahr hier einreisen und arbeiten. Aber es sind viele. Sehr viele.

Allein die Logik sollte uns dann doch schon sagen, dass hier, wo sozialer oder überhaupt bezahlbarer Wohnraum Mangelware ist, sicherlich keine adäquaten Unterbringungen saisonal aus dem Boden wachsen. Es sind Wohnungen, die sonst keiner will, Häuser, die eigentlich zum Abbruch anstehen (und deren Besitzer dann nochmal schnell gutes Geld mit anspruchslosen Mietern verdienen), Ställe, Verschläge, schlichtweg die unwürdige Wohnverhältnisse, in denen diese Menschen hausen und dafür obendrein noch teuer bezahlen müssen – und das ist alles nicht neu.

Die Logik sollte uns auch sagen, dass diese Menschen, die als „billige“ Arbeitskräfte herkommen, sicherlich nicht Arbeitgebern dienen, die sozial eingestellt sind. Diese Arbeitgeber sind weder an anständigen Unterkünften interessiert, noch am Erhalt der Gesundheit ihrer Mitarbeiter – es kommen ja neue, wenn einer „nicht mehr kann“, es sind ja immer genug da. Arbeitsverträge? Ach was, die sind ja mit Unterfirmen abgeschlossen – für LEISTUNGEN, die erbracht werden müssen, nicht für MENSCHEN. Und von den Unterfirmen dann wieder mit Unterfirmen … und so wird die Verantwortung immer weiter weg, so weit weg wie möglich geschoben.

Nebenbei: am Ende schadet dieses System uns allen, ganz direkt – durch fehlende Abgaben und Beiträge in den Sozialkassen. Aber das wäre ja schon zu weit gedacht und über den Tellerrand hinaus.

Das System ist inzwischen mehr oder weniger überall dasselbe, nicht nur in Fleisch- und Schlachtbetrieben, sondern auch auf den Feldern, auf dem Bau und vielen anderen Bereichen. Hat bisher nur niemanden interessiert. Hauptsache, alles ist billig.

Im Gegenteil sogar, diesen Menschen wurde von uns „hoheitlichen Fest-Einwohnern“ – egal ob deutscher, türkischer, russischer … Herkunft – meist nur Verachtung und die kalte Schulter gezeigt.

Nun aber geht es es an unsere Komfortzone, an unser eigenes Fell, denn es bilden sich gerade in diesen erbärmlichen Verhältnissen die Corona-Hotspots, die uns alle einschränken – finanziell, gesundheitlich, beruflich, freizeit- und freiheitsmässig.

Und jetzt plötzlich werden wir wach.

Und natürlich wird sofort ein Schuldiger gesucht. Es ist so schön einfach, jemanden anderen direkt für das Desaster persönlich verantwortlich zu machen. In diesem Fall Tönnies.

Aber all dies war ihm und auch anderen Unternehmern nur möglich, weil wir alle (oder die meisten von uns) gedankenlos weggeschaut haben. Weil wir davon mitprofitiert haben – und ich schließe mich selbst nicht aus.

Ich möchte Herrn Tönnies & Co. NICHT in Schutz nehmen, sondern nur unser eigenes Verhalten und die Verantwortung dafür auch in den Focus setzen.

Da müssen wir hinschauen, sonst ändert sich nie etwas. An die eigene Nase fassen eben. Hingucken, was auf dem Teller liegt. Und nicht weggucken oder diejenigen geringschätzen oder gar ignorieren, die für uns die Sch…-Arbeit machen.

In diesem Sinne – guten Appetit und einen schönen Tag.

#wirhabendiewahl

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